Valuation Backtest: Seit ein paar Monaten spricht man davon, dass Value-Aktien zurück seien. Die letzten Jahre haben sie trotz starken theoretischen Unterbau konstant unterperformed. Als Grund gelten die niedrigen Zinsen, mit denen sich Unternehmen Fremdkapital besorgen können. Dies ist für Value-Unternehmen bei weitem kein so großer Vorteil wie für Growth-Unternehmen. Weshalb letztere rund das letzte Jahrzehnt relative Stärke zeigen und die Value-Aktien hinterherhinken.
Durch die Inflation (über 4% in den USA!) wächst die Sorge, dass die FED die Leitzinsen anhebt. In diesem Fall würden Value-Aktien wieder an Attraktivität gewinnen. Das Einpreisen dieser Sorge könnte tatäschlich eine Stärke der Value-Aktien verursachen. Aber ist diese Stärke wirklich vorhanden? Gehen wir auf die Suche…
Aktuelle Situation: Der S&P-500 und ein Value-ETF

Wenn wir uns den Chart ansehen, ist die Überperformance nicht so stark wie es in den Medien dargestellt. Wir sehen einen Value-ETF (von iShares mit dem Symbol IVE) im S&P500-Universum und den S&P500 selbst. Die Überperformance existiert seit ca. 3 Monaten und beträgt ca. 6% über ein Jahr gesehen.
Und was zeigt der gleichgewichtete S&P-500?
Noch deutlicher wird es, wenn man den gleichgewichteten S&P-500 mit dem Value-ETF vergleicht.

In diesem Fall unterperformed der Value-ETF sogar. Obwohl in den Medien von einer relativen Stärke gesprochen wird! Und der gleichgewichtete S&P-500 ist die deutlich bessere Messlatte.
Valuation Backtest: Eine etwas bessere Strategie um Value-Aktien zu finden
Vielleicht liegt es am Value-ETF selbst? Sehen wir uns deshalb die Default-Value-Strategy von Portfolio123 an. (Portfolio123 nutze ich als Aktien-Datenbank, Aktien-Backtest-Tool und automatisiertes Handelssystem). Wir wählen dazu mit dieser Strategie die Top-25-Value-Aktien aus dem S&P 500 aus. Dann kommt folgender Backtest zu Stande:

Holla! Das ist eine krasse Outperfomance. Merke: Die Medien haben manches Mal doch recht 🙂 Aber man wenn man einfach auf den Value-ETF von iShares gesetzt hätte, wäre man dem Markt hintergelaufen. Es benötigt doch eine komplexere Umsetzung um “echte” Value-Aktien zu finden. Dazu kommt, dass wir mit so einer Strategie ein häufigeres Rebalancing machen können. In diesem Fall betrug es eine Woche. Damit kann die Strategie schnell auf Marktänderungen reagieren. ETFs führen meist nur ein quartalsweises Rebalancing durch.
So sieht die Value-Strategie von Portfolio123 aus:

Es werden also 11 Faktoren ausgewertet. Die Strategie gab es schon bevor die Value-Aktien so performten. D.h. sie wurde nicht nachträglich entwickelt und nicht auf die Aktienkurse des letzten Jahres angepasst.
Die Strategie hat jedoch in der Vergangenheit nicht immer so gut abgeschnitten. Im langfristigen, logarithmischen Chart seit 1999 sieht man, dass es gute und schlechte Zeiten gab.

Insbesondere die letzten Jahre hat auch diese Value-Strategie schlecht abgeschnitten (oranger Kringel). Das zeigt uns, dass es tatsächlich eine Value-Flaute gab. Aber auch, dass es in den letzten 12 Monate mit der richtigen Value-Umsetzung Überrenditen zu erzielen gab.
Valuation – Kennziffern
Der einfache, etwas undifferenzierte Weg um Value-Aktien zu finden, ist die Nutzung von Valuation-Kennziffern. Also zum Beispiel das KGV, (Kurs-Gewinn-Verhältnis), KUV (Kurs-Umsatz-Verhältnis) oder KCV (Kurs-Cashflow-Verhältnis). Die Value-Strategie von Portfolio123 nutzt genau diese Valuation-Kennziffern. Um diese zu analysieren wollen wir im weiteren “Ranking-Backtests” durchführen. Diese habe ich bereits in der Vergangenheit für andere Kennzahlen genutzt: https://www.mcgeld.de/tag/backtest/
Dazu werden die Backtest-Kurse der Aktien mit dem besten Valuation-Wert in den (hellblauen) Balken ganz rechts eingeordnet. Dabei handelt es sich um die besten 5% der Aktien laut ihre Valuation-Kennzahl. Danach folgen absteigend nach links in 5%-Schritten die Backtest-Kurse der Aktien mit dem schlechteren Valuation-Wert. Die Backtest-Kurse der Aktien mit dem schlechtesten Valuation-Wert werden im zweiten (blauen) Balken von links dargestellt. Der ganz linke (rote) Balken zeigt den Marketcap-gewichteten Vergleichsindex und ist für uns heute weniger von Bedeutung.

Parameter des Valuation Backtest
Im folgenden wollen wir unterschiedliche Valuation-Kennziffern backtesten. Dazu fangen wir mit den Valuation-Kennwerten an, die aus den oberen Positionen der Unternehmensbercihte entstehen. Zur Bildung der Valuation-Kennziffern nutzen wir die neuesten Quartalsdaten.
Das Universum erweitern wir auf den Russell 3000. Damit erfassen wir ein wirklich breites Spektrum aus US-Aktien . Der Russell 3000 besteht aus 3000 Aktien und ist damit sechsmal so breit wie der S&P 500. Ein Balken im Ranking-Diagramm beinhaltet also den Mittelwert aus 150 Aktienkursen. Die statistische Aussagekraft ist daher ziemlich hoch.
Die Rebalancing-Zeit beträgt beim Valuation-Backtest eine Woche. Transaktionskosten und Slippage betrachten wir dabei nicht.
Des Weiteren werden die Kennziffern für den Backtest “umgekehrt”: Statt Kurs/Gewinn nutzen wir Gewinn/Kurs. Hohe Gewinn/Kurs-Verhältnisse werden dann positiv gewertet. Der Kehrwert hat den Vorteil, dass wir auch mit negativen Gewinnen umgehen können. Diese werden durch die Umdrehung auch negativ gewertet. Damit folgenauch sie der KGV-Logik. In der Benennung wird im folgenden Text aber die klassische Form bewahrt.
KUV bzw. Price-To-Sales
Das linke Diagramm zeigt die Ergebnisse vom 02. Januar 1999 bis heute. (Weiter reichen die Daten von Portfolio123 nicht). Die jährliche Rendite der Aktien mit dem niedrigsten Price-To-Sales-Verhältnis stehen dabei ganz rechts.

Es zeigt sich, dass die Aktienkurse stärker stiegen, je niedriger das Price-To-Sales-Verhältnis ist. Die Aktien mit dem niedrigsten Wert stiegen um 22% pro Jahr! (Der Russell 3000 im Vergleich dazu nur knappe 8%).
Das mittlere Diagramm zeigt die Backtestergebnisse vom 8. Juni 2015 bis 8. Juni 2020 an. Also ungefähr die 5 Jahre vor der Pandemie, die als Value-feindlich gelten. Hier dreht sich das Bild tatsächlich um. In der Tendenz stiegen eher Aktien mit hohem KuV (klassischerweise sind das Growth-Aktien). Allerdings konnten sich die Top 5% noch vergleichsweise gut schlagen. Diese sind wohl dermaßen unterbewertet gewesen, dass sie trotz der Growth-Periode noch gut performten.
Krass ist das Diagramm auf der rechten. Dies zeigt die Performance der letzten 12 Monate an. Wer in die Aktien mit den niedrigsten Price-To-Sales-Verhältnissen investiert hätte, konnte sein Kapital mehr als verdoppeln!
Sehen wir uns den zeitlichen Verlauf der 150 Aktien mit dem niedrigsten KuV an:

Wieder sehen wir hier, dass es viele Jahre gab, in denen wir mit den KUV-Aktien nicht glücklich gewesen wäre…
EV-To-Sales
Profis nutzen gerne den Enterprise Value (EV) eines Unternehmens statt der Marktkapitalisierung bzw. Preis. Beim Enterprise Value fließen die Assets und Verbindlichkeiten mit ein. (Diese fehlen bei der Marktkapitalisierung und waren damit beim KUV außen vor.)

Es zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Allerdings ist die Überperformance in den letzten 12 Monaten geringer als beim Price-To-Sales. Das ist sehr interessant, denn ich hätte hier etwas bessere Werte erwartet.
EV-To-GrossProfit
Der GrossProfit ist ein Position, die viele nicht auf dem Schirm haben. Er wird aber gerne in akademischen Papern verwendet und stellt den Umsatz abzüglich der Produktionskosten dar. Er ist besonders “schön” zum interpretieren, da alle nachfolgenden Werte auf der Gewinn-und-Verlust-Rechnung abgeleitete Werte sind. Diese können durch Maßnahmen seitens des Managements oder der Finanzbuchhaltung beeinflusst werden können. Die Produktionskosten hingegen sind meist schon in der Vergangenheit optimiert worden. Sie bleiben daher bei den meisten Firmen relativ stabil.

Es zeigt sich hier ein ähnliches Bild wie bei den beiden Sales-Kennwerten. Im linken Diagramm sieht die Steigung der Balken sehr “smooth” aus. Das spricht für diese Kennziffer . Auch hiermit hätte man in den letzten 12 Monaten sein Kapital verdoppeln können.
EV-To-EBITDA
EBITDA, das sind die Gewinne vor Zinszahlungen, Abschreibungen und Steuern. Dieser Wert ist, wenn man so will, auf dem “halben Weg” zwischen Umsatz und Gewinn.

Hier fällt vor allem auf, dass es im letzten Jahr nicht die extrem starke Überperformance der “besten EBIDTA-Aktien” gab. Im Gegenteil ergibt sich kein sehr rundes Bild. Es wäre zweifelhaft, aktuell auf Basis dieser Kennziffer Aktien auszuwählen.
EV-To-EBIT
Mit dem EBIT sind wir noch ein Stück näher an den Gewinnen dran:

In den letzten 12 Monaten lag zwar eine starke Performance vor. Aber die Aktien mit dem niedrigsten EV-To-EBIT waren dennoch nicht die stärksten.
(Der linke rote Balken stellt den Vergleichsindex dar. Es kommt vielleicht die Frage auf, weshalb er nicht dem Durchschnitt der anderen Balken entspricht. Der Grund ist, dass dieser nach der Marktkapitalisierung gewichtet ist. Die anderen Balken sind hingegen gleichgewichtet. Das Diagramm ist auch so zu lesen, dass kleinere Aktien die großen outperformt haben.)
KGV bzw. Price-To-Earnings
Der bekannteste Valuation-Wert: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis bzw. KGV!

Hier performen vor allem die Aktien mit negativen Gewinnen in den letzten 12 Monaten. Dies dürften vor allem die Software- und Plattform-Firmen sein. Denn diese konnten in der Corona-Krise massiv an Wert zulegen. Was vermutlich auch der Grund ist, weshalb die EBIT(DA)-Kennziffern nicht so aussagekräftig waren.
Dennoch zeigen auch die klassischen KGV-Aktien eine Überperformance mit ca. 75%über die letzten Monate. D.h. aus dieser Sicht haben sowohl Growth- als auch Value-Aktien überperformed. Nur die “normalen” Aktien haben keine außergewöhnlichen Renditen gezeigt. Sofern man 40% pro Jahr als gewöhnlich bezeichnen möchte 🙂
Ende von Teil 1 und Fazit vom Valuation Backtest
Damit sind wir am Ende von Teil 1 der Serie. In Teil 2 sehen wir uns weitere Valuation-Kennziffern an. U.a. auch, was passiert, wenn man eine Aktienanalyse auf Basis aller untersuchten Kennziffern gleichzeitig macht.
Es lässt sich zum bisherigen Valuation-Backtest festhalten: Die bisher Valuation-Kennziffern zeigen, dass sie trotz ihrer Einfachheit in den letzten 21 Jahren sehr gut für eine Aktienanalyse geeignet waren. Es zeigt sich auch, dass es einen Value-Winter von mehreren Jahren vor der Pandemie gab. Aber auch, dass Value im Sinne von Valuation-Kennziffern aktuell wieder funktioniert. Allerdings klappt es nicht mit allen Kennziffern gleich gut. Wir können nur spekulieren, woher die Unterschiede kommen.
Hast Du spezielle Wünsche für Teil 2? Oder würdest Du die Aktienanalyse anders durchführen? Schreib es mir gerne in den Kommentaren.
Frohes Investieren!
Sebastian McGeld
Weitere Backtests findest Du hier: