Roulette und das Verdoppler-System

Roulette Wettsystem Martingale

Lesedauer: 9 Minuten –

Oft habe ich schon Freunde und Fremde philosophieren gehört, wenn sie genug Geld hätten und eine Spielbank beliebig hohe Einsätze erlauben würde, dann könnten sie die Bank langfristig schlagen. Angeblich würde selbst die “0” (bei der der Bank die Runde gewinnt) zu keinem Problem führen, da eine fast 50%-ige Gewinnchance ausreicht. Was sie meinen ist das Martingale-System, bei dem auf rot oder schwarz gesetzt wird – und nach jedem Verlust der Einsatz verdoppelt wird. Damit kann jeder Verlust in einer der nächsten Runde wieder wettgemacht werden, sofern einem das Geld eben nicht ausgeht und die Spielbank keine Limits setzt.

Sehen wir uns das mal an einem Roulette-Tisch an, an dem der Mindesteinsatz 5 Euro und der Höchsteinsatz 200 Euro beträgt. Gehen wir – um die Sache zu vereinfachen – davon aus, dass es keine 0 gibt und die Spielbank keine Trinkgelder erwartet (es ist üblich nach einem Gewinn etwas Trinkgeld zu geben). Und dass die Spielbank keine Martingale-Spieler rauswirft.

Wir können also zwischen 5 und 200 Euro auf rot oder schwarz setzen und haben eine 50% Verlust- bzw. Gewinnchance. Es ist dabei egal, ob wir auf rot oder schwarz setzen. Eine Zeit lang wird das System funktionieren, bis es zu einer Verlustserie kommt – diese sieht wie folgt aus.

RundeEinsatzAufsummierter Verlust
#15 €5 €
#210 €15€
#320 €35€
#440 €75€
#580 €155€
#6160 €315 €

Wir haben also bei einer Verlustserie von 6 Runden 315 Euro verloren und können diese nicht mehr herein-spielen. Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verlustserie von 6 Runden ist 0.56 (50% hoch 6) = 0.015625, also rund 1.6%.

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D.h. jedes Mal wenn Du das System mit 5 Euro startest, hast Du ein 1.6%-iges Risiko, 315 Euro zu verlieren. Fassbarer wird diese Aussage, wenn wir es umrechnen und davon ausgehen, dass Du an einem Abend 50 mal das System von vorne beginnen kannst. Hier ist die Wahrscheinlichkeit die 315 Euro an diesem Abend nicht zu verlieren (1 – 0.016)50 = 44% bzw. die Wahrscheinlichkeit zu verlieren 56%!

Zwei “Optimierungen” des Martingale

Die erste Optimierung ist sehr einfach. Anstatt bei einer Verlustserie den Einsatz in der Runde 2 auf 10 Euro zu verdoppeln, spielst Du noch einmal mit 5 Euro. Die Verdoppelungen setzen dann erst ab Runde 3 ein. Damit gewinnst Du zwar in den Runden einer Verlustserie nichts und holst nur den Einsatz bei einer Gewinner-Runde wieder heraus, aber verbesserst Dein Risiko.

Runde (Tisch 1)EinsatzAufsummierter Verlust
#15 €5 €
#25 €10 €
#310 €20 €
#420 €40 €
#540 €80 €
#680 €160 €
#7160 €320 €

Hier kannst Du also eine weitere Runde spielen und hast eine weitere Chance die Verlustserie zu unterbrechen. Das Risiko bei jedem Start des Systems in eine Verlustserie zu geraten, beträgt nun 0.57 = 0.0078, rund 0.78%, also die Hälfte wie beim obigen Beispiel. Das Risiko die 320 Euro an dem Abend, an dem Du das System 50 mal spielst, nicht zu verlieren wäre nun (1 – 0.0078)50 = 22%. Bzw. die Wahrscheinlichkeit nicht in eine solche Verlustserie zu geraten wäre nun 78% und damit hast Du eine “gute Chance” zumindest an diesem Abend das Kasino als Gewinner zu verlassen. (Sei Dir aber bewusst, dass Du, wenn Du das Kasino an mehreren Abenden besuchst, trotzdem in die Verlustzone kommen wirst.) Der Nachteil ist aber, dass Du – im Durchschnitt betrachtet – weniger als im ersten Beispiel verdienst, da Du in Verlustserien nicht mehr versuchst die ursprünglich verlorenen 5 Euro gutzumachen plus 5 Euro Gewinn zu erzielen, sondern nur die ursprünglich verlorenen 5 Euro gutzumachen.

Aber wenn Du einmal mit Freunden ausgehst und mit einem kleinen Gewinn gut dastehen willst, wäre das eine sinnvolle Verbesserung (sowie dem Tipp mit dem Spielen aufzuhören, sobald Du z.B. 20% in der Gewinnzone bist oder nur noch um den Minimalbetrag spielst).

Damit man die zweite Optimierung spielen kann, benötigt man – wie bekannt – viel mehr Geld und ein gutes Verständnis für Wahrscheinlichkeiten. Dann lässt sich das Limit von 200 Euro an dem besagten Tisch umgehen: Die einzelnen Runden am Roulette sind statistisch gesehen unabhängig voneinander, d.h. ob die letzte Runde rot oder schwarz gefallen ist, hat keinen Einfluss darauf, welche Farbe in der aktuellen Runde “drankommt”. Nur weil zehnmal nacheinander die selbe Farbe gewonnen hat, heißt nicht, dass jetzt die andere Farbe drankommt oder eine erhöhte Auftretenswahrscheinlichkeit hat. Schwarz und rot hat immer die gleiche Wahrscheinlichkeit von 50% (die “0” bei dieser Betrachtung außen vorgelassen).

Wenn Du diese Tatsache verstanden bzw. akzeptiert hast – auch wenn es gegen Deine Intuition sprechen mag – wird es Dir auch verständlich, dass das nicht nur für den einen Tisch gilt, sondern auch bei einem Tisch-Wechsel. Denn die Tische sind ja ebenfalls unabhängig voneinander. Bsp: Wenn Du dauerhaft an einem Tisch auf schwarz setzst, wirst Du durchschnittlich die gleichen Gewinne und Verluste machen, wie wenn Du ständig zwischen zwei Tischen wechselst. Es spielt sogar keine Rolle auf welche Farbe zu setzst, egal ob dauerhaft auf eine Farbe, abwechselnd auf rot und schwarz, nach einem System auf rot und schwarz oder die Farbe zufällig wählst. Du wirst – auf lange Sicht – genauso oft gewinnen wie verlieren. Das einzige was Du steuern kannst, ist die Höhe Deiner Einsätze.

Wenn Du nun also durch eine Verlustserie in Runde 7 ans Limit von Tisch 1 gekommen bist, wechselt Du einfach zu einem Tisch 2 mit höherem Limit, z.B. von 3000 Euro und spielst dort das Verdoppler-System einfach weiter:

Runde (Tisch 2)EinsatzAufsummierter Verlust
#8320 €640 €
#9640 €1280 €
#101280 €2560 €
# 11 2560 €5120 €

Nun konntest Du das 200-Euro-Limit von Tisch 1 umgehen und hast 4 weitere Chancen Deinen Einsatz wieder hereinzuspielen, wenn auch mit deutlich höheren Einsätzen.

Nun müsste also eine “persönliche Verlustserie” (statt einer Verlustserie an einem Tisch) von 11 Runden auftreten. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist beim Start des Systems nun 0.511 = 0.00049, das sind nur noch 0.049%. Die Wahrscheinlichkeit an dem Abend, in dem Du das System 50 mal startest, nicht zu verlieren, beträgt also nur noch (1 – 0.00049)50 = 97.6%. Bzw. umgekehrt: Dass Du an diesem Abend verlierst, ist mit 2.4% sehr unwahrscheinlich geworden. Allerdings wirst Du im Falle eines Verlusts nun 5120 Euro statt der 320 Euro verlieren! Im langfristigen Durchschnitt – also wenn Du viele Abende ins Kasion spielen gehst – ergibt sich dadurch kein Vor- oder Nachteil. Du kannst also nur die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen auf Kosten der Verlusthöhe optimieren, was Dir keinen langfristigen Vorteil gibt. Aber für einen einzelnen Abend kann es interessant sein.

Was könntest Du nun tun, falls Du nach so einer Verlustserie über zwei oder mehrere Tische noch Spielgeld übrig hast, aber die Bank keine Tische mit einem höheren Limit bietet? Genau! Du kannst das Kasino wechseln (auch Tage oder Wochen später) – gehe in eines mit höheren Limits, auch ein Online-Kasino ist dazu geeignet. Genauso wie die einzelnen Runden an einem Tisch und zwei Tische in einem Kasino voneinander statistisch unabhängig sind, sind auch die Tische zwischen den Kasinos oder Online-Kasinos vonaneinander unabhängig und Du könntest das System soweit spielen bis Dir entweder das Geld ausgeht oder bis Du kein Kasino mit höheren Einsätzen mehr findest.

Fazit

Echte Optimierungen oder Verbesserungen des Martingale-Systems sind auf lange Sicht nicht möglich. Es kann zwar etwas mit den Einsätzen jongliert werden, doch eine statistische Überlegenheit ergibt sich dadurch nicht. Wenn man noch bedenkt, dass man bei einer Verlustserie schnell mal mehrere Tausende Euro einsetzen muss, nur um einen initialen Verlust von 5 Euro wettzumachen, ergibt sich auch intuitiv, dass das Martingale-System gefährlich und kein brauchbares System ist. Selbst wenn man, aus welchen Gründen auch immer, die lange Verlustserie nie erlebt, stellt sich die Frage nach dem Zeitaufwand: Um das Risiko zu minimieren und lange Verlustserien überleben zu können, muss man immer mit minimalen Einsätzen spielen. D.h. selbst im Gewinnfall verdient man nur wenig – wenn man das auf die Stunde umrechnet, ist Dein jetziger Job wahrscheinlich lukrativer!

Ich finde solche Überlegungen dennoch spannend, denn aus Ihnen ergeben sich auch Rückschlüsse z.B. zum Aktien-Portfolio, und wie groß eine Aktien-Position sein darf bzw. welches Risiko ein einzelnes Asset annehmen darf.

Wahrscheinlichkeiten sind häufig ein Streitpunkt – siehst Du meine Ausführungen anders? Dann schreibe es mir gern in den Kommentaren!

Frohes Zocken!
Sebastian