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Die letzten Jahre hieß es immer wieder, dass die Immobilienpreise (Kaufpreise) nicht mehr weiter steigen können, da die Mietrenditen bereits sehr weit gesunken sind und weitere Mietpreissteigerungen nicht mehr von den Mietern bezahlt werden können. Allen Unkenrufen zum Trotz sind die Kaufpreise in vielen Gegenden, insbesondere in den Städten, kontinuierlich weitergestiegen. Auch Corona konnte diesen Trend nicht aufhalten – vermutlich weil die Inflationssorgen wegen der Notenbankreaktionen weiter angestiegen sind und Immobilien als Inflationsschutz gelten.
Auf der anderen Seite hat die Immigration nachgelassen und die Babyboomer werden in wenigen Jahren in Rente gehen, womit sie als zahlungskräftige Käufer ausfallen werden – ein Angebotsüberhang ist eigentlich zu erwarten und sollte langsam eingepreist werden.
Letztlich gibt es sowohl Argumente für weitere Preissteigerungen als auch Argumente dagegen. In diesem Blog-Beitrag will ich einen vollständigen Überblick der mir bekannten Punkte geben.

PRO: Punkte für weitere Preissteigerungen in den nächsten Monaten und Jahren:
- Niedrigzins: Der Leitzins und damit auch die Immobilienzinsen sind nach wie vor auf sehr niedrigem Niveau. Da nicht zu erwarten ist, dass der Leitzins in absehbahrer Zeit steigt, können sich viele Investoren mit der entsprechenden Bonität Immobilien finanzieren. D.h. der Konkurrenzdruck würde dann hoch bleiben und für steigenden Preise sorgen.
- Niedrigzins 2: Da die Zinsen für normale Konten, aber auch die Renditen vieler anderer Assets sehr niedrig bzw. um die 0% sind (z.B. sichere Staatsanleihen), erscheinen Immobilien mit einer Rendite zwischen 2.5 – 4% in den Städten nach wie vor attraktiv. (zumindest auf dem Papier – in der Realität können bei so niedrigen Renditen bereits kleinere Probleme mit der Substanz oder den Mietern für 0% Rendite oder negative Renditen sorgen).
- Inflationserwartung: Aktuell ist die Inflationserwartung sehr hoch, da es Probleme in Lieferketten gibt, Rohstoffpreise angezogen sind, die EZB auf die Pandemie mit noch mehr Geld geantwortet hat und uns möglicherweise eine linkere Bundesregierung bevorsteht, die an der Lohnspirale drehen könnte, z.B. über eine Erhöhung des Mindestlohns, Sozialhilfe oder Stärkung der Gewerkschaften. Als Schutz gelten hier natürlich auch Immobilien. Ob die Inflation kommt und dann auch tatsächlich bleibt, basiert wiederum selbst auf Prognosen und ist damit als Argument noch volatiler als die anderen Argumente.
- Nebenkosten, Handwerkerpreise: In den (nicht umlegbaren) Nebenkosten und in den Handwerkerpreisen kann man bereits in den letzten Jahren eine Preisinflation wahrnehmen, die meist an den Mieter durchgereicht wird und auch ein Grund für die steigenden Mietpreise sind. Dadurch steigen die Mietpreise nominell und lassen wiederrum höhere Immobilienpreise zu. Auch die Herstellungskosten (wegen teureren Handwerkern und mehr Regulierungen) nehmen zu, so dass Neubauten immer teuerer werden – dies zieht in der Regel die Bestandspreise zeitverzögert mit.
- Migrationsdruck: Immigranten und junge Leute ziehen nach wie vor hauptsächlich in die Städte und sorgen dort für steigende Preise – auch wenn zur Zeit weniger Immigranten dazukommen, ist zu erwarten dass es in Zukunft weiterhin Migrationswellen geben wird.
CONTRA: Und nun hier die Punkte, die gegen eine Preissteigerung und ggf. sogar für sinkende Preis sprechen:
- Demographie: Ab Mitte des Jahrzehnts geht eine große Welle an Baby-Boomern in die Rente. Diese werden nicht mehr so zahlungskräftig sein wie heute und damit für weniger Konkurrenz sorgen. Wenn sie Geld benötigen, kann es auch sein, dass sie Immobilien wieder abstoßen und für ein größeres Immobilienangebot sorgen.
- Demographie 2: Heute leben viele junge Menschen in kleinen Wohnung und Ältere in größeren Wohnungen. Wenn die Älteren nach und nach in Heime umziehen bzw. versterben, wird mehr Wohnraum frei als zuvor. Auch das sorgt für ein größeres Angebot und sinkenden Preisen. Zur Demographieentwicklung gibt es übrigens eine schöne interaktive Grafik unter https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide/index.html
- Gesetzgebung: Nachdem die letzten Jahre die Mietpreise stark gewachsen sind, wird sich die Politik künftig auch auf Bundesebene damit beschäftigen und möglicherweise die Mietpreisbremse nachschärfen bzw. sogar einen Mietdeckel einführen (in Berlin wurde dieser nur wieder ausgesetzt, weil Berlin nicht für die Mietpreispolitik zuständig ist, sondern der Bund). Gerade die eher linken Parteien setzen immer mehr auf Mieter als potentielle Wähler, so dass die Verschärfung zu Ungunsten der Investoren ausfallen wird. Sinkende Mieten bedeuten bekanntlich sinkende Mietrenditen, welche früher oder später auch für eine Preisbremse beim Kauf/Verkauf sorgen müssten.
- Aktuelle Mietrenditen: Mit den aktuellen Mietrenditen ist schon heute nach Steuern, Zinsen, nicht umlegbaren Nebenkosten und Renovierungskosten kaum ein Plus zu machen (in den Städten). Wenn die Mieten nicht steigen, ist daher kaum mit steigendenen Kaufpreisen zu rechnen – und ein Anstieg der Mieten ist auch nicht unbedingt zu erwarten, da viele Mieter preislich bereits am Limit sind und nicht mehr zahlen können.
- Gewerbe-Immobilien: Durch Corona bzw. der Etablierung von Home-Office werden viele Büros und Einkaufsflächen verschwinden, die dann relativ leicht in Wohnraum umgewandelt werden können und für mehr Angebot auf den Immo-Märkten sorgen. Auch “fliehen” viele Familien während der Corona-Krise auf das Land und sorgen für nachlassende Nachfrage in den Städten (dafür Zunahme in den Speckgürteln und im ländlichen Gebiet, wo allerdings mehr Platz ist und weniger Strahlkraft zurück in den Gesamtmarkt wirkt: Die ganze Republick schaute auf Hamburg, München, Frankfurt etc. als neue Höchstpreise erreicht wurden. Dann konnte angenommen werden, dass die Preise in anderen Gegenden auch noch steigen werden. Niemand wird aber auf Offenbach oder Rosenheim schauen und darauf zurückschließen, dass die Preise in Frankfurt oder München steigen werden)
Auf beiden Seiten gibt es starke Argumente, daher lässt sich meiner Meinung nach kaum eine seriöse Prognose machen. Falls die Inflation nicht stark ausfällt, glaube ich aber nicht , dass die Immobilienpreise so stark wie im letzten Jahrzehnt steigen werden, sondern eher seitwärts oder tatsächlich leicht und vor allem regional abwärts tendieren werden.
Dennoch wird man mit Mieten Geld verdienen können, wenn man die Immobilien nicht überteuert gekauft hat. Insbesondere wenn man die Möglichkeit der Sondervermietungen konsequent nutzt: AirBnB, Monteurszimmer, kleine Studenten-Apartments, Einzelzimmer-Vermietung in WGs, Flüchtlingsunterkünfte, etc.
Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass ich ein Argument unerwähnt gelassen habe – dass da lautet “Immobilienpreise steigen immer”. Dieses Argument hört man oft bzw. viele Menschen nehmen es zumindest in Deutschland als gesetzt hin, aber es ist nicht richtig. Wir sind es nur gewohnt, weil es die ganze letzte Dekade so lief, aber es gab auch schon andere Jahre. Hier der Immobilienpreisindex seit 1975 für Bestands-Eigentumswohnungen in Deutschland:

Die Gesamttendenz ist zwar positiv, aber es gab auch negative Jahre und Jahrzehnte der Stagnation.
Umgekehrt hört man auch das Argument, dass wir uns bereits in einer Blase befinden, gerade weil die letzten Jahr die Preise so gestiegen sind. Auch dieses Argument ist meiner Meinung nach nicht korrekt. Solange die Mietrenditen höher als die Renditen von sicheren Anlagen (z.B. sicheren Staatsanleihen oder einfach nur Festgeld) sind, ist es rational in Immobilien zu investieren und solange gibt es eine Konkurrenz und damit wahrscheinlich weitere Preissteigerungen. Und die Mietrenditen sind nach wie vor positiv im Gegensatz zu den Renditen der sicheren Anlagen.
Fazit: Wie wir in Bayern sagen: Genaues weiß man nicht. Es gibt einfach einen grundlegenden Widerspruch: Auf Grund der zunehmenden Risiken am Immobilienmarkt macht es Sinn weniger in Immobilien zu investieren, aber auf Grund der allgemeinen und (geld-)politischen Risiken macht es wiederum Sinn mehr in Immobilien zu investieren. Dem Investor bleibt nicht viel mehr übrig als eine goldene Mitte zu finden (oder einen faulen Kompromiss – wie man es nimmt). Wer genügend Kapital hat, sollte natürlich dieses diversifizieren und da gehören Immobilien weiterhin ins Portfolio. Die Zeit für eine aggressive Immobilienstrategie ist allerdings meiner Meinung nach vorbei – es macht eher Sinn gelegentlich Immobilienschnäppchen zu erstehen und damit einen Cost-Averaging-Effekt zu erzielen.
Ich hoffe, Dir hat trotz wenig eindeutigen Prognose der Artikel gefallen. Kennst Du weitere Argument für bzw. gegen Immo-Preissteigerungen? Dann lasse es mich gerne in den Kommentaren wissen.
Frohes Investieren!
Sebastian