Grenzen der Diversifikation

Diversifikation von Assets

Lesedauer: 5 Minuten –

Diversifikation gilt häufig als das einzige “free Lunch on Wall Street”, denn sie kann relativ einfach auch von unerfahrenen Investoren umgesetzt werden und führt tatsächlich häufig zu einem besseren Rendite-Risiko-Profil. Dennoch hat sie auch einige Nachteile, die man kennen sollte um das richtige Maß an Diversifikation zu finden:

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  • Geringere Rendite-Chance: Ein erfolgreiches, diversifiziertes Portfolio liefert weniger Rendite als ein erfolgreiches, fokussiertes Portfolio. Man spricht auch häufig von einer Di-worse-fication, wenn in ein Portfolio mittelmäßige Assets gepackt werden nur um eine Diversifikation zu erreichen. Diese ziehen natürlich die Gesamtrendite auf ein Mittelmaß zurück. Wenn man die Möglichkeit hat, hochwertige Assets zu identifizieren und wenn man Schwankungen aushalten kann, sollte man auf diese Diversifikation um der Diversifikation willen verzichten.
  • Übersicht geht verloren: Je mehr Anlagen in einem Portfolio enthalten sind, desto unübersichtlicher wird es für den Anleger. Dies führt häufig zu mehr Fehlentscheidungen, insbesondere beim Verkauf, denn es fällt einem immer schwerer die gehalteten Positionen zu tracken (insb. fundamentale Entwicklungen und Nachrichten) und zu einem halbwegs richtigen Zeitpunkt zu verkaufen. Die meisten Analysen drehen sich sowieso schon um den Kauf und nicht um den Verkauf – ein gefährlicher Bias übrigens, der durch ein zu großes Portfolio noch verschärft wird. Auch das senkt die Rendite!
  • Wenige unkorrelierte Assets verfügbar. Viele Assets sind korreliert und die wenigen unkorrelierten haben meist eigene Probleme, niedrige Renditen bzw. ein hohes Risiko. Natürlich ist Gold halbwegs unkorreliert mit Aktien, aber will schon ein Portfolio aus 50% Gold haben um dann 50% Aktien abzusichern? Wahrscheinlich kaum jemand, außer Gold-Bugs. Welche weiteren richtig unkorrelierten Assets gibt es denn sonst noch? Kaum welche, und wenn dann sind sie sehr exotisch und/oder spekulativ, wie z.B. Kryptowährungen (die noch gar nicht richtig die Nicht-Korrelation beweisen konnten). Wenn Du vom Aktienmarkt unkorrelierte, rendite-starke, liquide und risiko-arme Anlagen findest, solltest Du natürlich in sie investieren. Aber sonst Dich lieber auf Aktien, etwas Edelmetalle, vielleicht etwas Kryptowährungen und etwas Cash beschränken.
  • In der Krise geht alles runter: Genau dann wenn man die Volatilitätsminimierung durch die Diversifikation am meisten bräuchte, funktioniert sie nicht: Im Crash. Wenn der Aktienanleger im Börsen-Down seine Margin-Calls erfüllen muss, verkauft er auch sein Gold -> Gold crasht im Einklang mit Aktien (auch wenn es sich meist schneller wieder erholt). Wenn der Immobilienbesitzer sein Objekt nur halten kann, wenn er investiert oder mehr Sicherheiten hinterlegt, wird er seine Aktien verkaufen -> Eine Immobilienkrise vererbt sich so an die Börse. Diese Beispiele gibt es zu Hauf: Noch schlimmer ist, dass man genau in der Krise ein erhöhtes Risiko hat, seinen Job zu verlieren (man also von seinem Kapital leben muss) und dann die Börsen auch noch unten sind.
  • Vermeintliche Sicherheit: Am schlimmsten ist aber die vermeintliche Sicherheit. Nur weil sich in der Vergangenheit Assetpreise unabhängig voneinander verhalten haben, können sie später trotzdem starke Korrelationen zeigen. Dieses Problem kann man halbwegs vermeiden, wenn nicht nur auf Charts und Korrelationsmetriken schaut, sondern auch darauf, dass die Assets wirklich fundamental anders sind und wenig Vererbungsrisko haben (siehe vorherigen Punkt). Gefährlich ist auch, wenn man nicht erkennt, dass manche Anlagen sich kaum streuen lassen: Eine Bitcoin-Position lässt sich nicht im Risiko begrenzen, indem man Altcoins dazukauft, aber da die Altcoins am Bitcoin “hängen” und selbst noch volatiler sind, erhöht sich das Risiko durch die vermeintliche Diversifikation (bei guten Altcoins erhöht sich aber auch das Upside-Potential, aber es veringert sich eben nicht das Risiko, was man üblicherweise mit einer Diversifikation anstrebt)
  • Hedging ist teuer: Am verlässlichsten funktionieren Put-Optionen oder entsprechende Zertifikate, die aber mit der Zeit immer weniger wert werden und deshalb nachgekauft werden müssen. Diese fressen meist viel Rendite, so dass man sich zweimal überlegen sollte, sein Portfolio, was ja auf “Upside” getrimmt ist, mit gegenläufigen Assets zu hedgen. Denn langfristig mindert es die Rendite ziemlich stark. Wenn man sich die Renditen von Hedge-Fonds anschaut, dann sieht man bei einem Börsen-Boom meist maue Renditen und bei einem Börsen-Crash häufig nicht die angestrebten gebremsten Einbrüche. Fazit: Hedging ist so kompliziert, dass es auch für viele Fonds teuer wird. Wenn Du hedgen willst, sollte es eher taktisch eingesetzt werden. Z.B. kannst Du auf Bitcoin short gehen, wenn Du viele Gewinne mit Bitcoin eingefahren hast, aber noch in der Spekulationsfrist bist. So kannst Du Deine Gewinne sichern bis Du sie steuerfrei realisieren kannst- Crashs sitzt Du aus, aber bei einem weiteren Boom bist Du dann nicht mehr dabei.

Letztlich ist es aber so, dass eine gewisse Streuung über ein paar Werte fast immer sinnvoll ist – und bei speziellen Anlagestragien ist sie essentiell: Bei Quant-Strategien muss man immer mehrere Aktien kaufen, um die Quant-Arbitrage sicher einfahren zu können – da häufig nur ca. 50% der Aktien Gewinner sind, die aber deutlich höhere Gewinne einfahren, als die Verlierer verlieren. Wenn man nur 2 oder 3 der Aktien laut der Quant-Analyse kaufen würde, könnte es sich zufälligerweise um die Verlierer-Aktien handeln, so dass man trotz einer an und für sich erfolgreichen Quant-Strategie Geld verliert.

Ich persönlich verzichte nicht auf die Diversifikation, aber achte weniger auf die Korrelation der einzelnen Anlagen, als vielmehr auf die Qualität und/oder das Upside-Potentatial. Das Risiko versuche ich eher durch die richtigen Positionsgrößen zu steuern.

Hast Du Dir auch schon Gedanken zur Diversifikation gemacht oder bist Du All-In in einem Asset? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen.

Frohes Investieren!
Sebastian