Aktien-Analyse: Unternehmen mit F&E-Ausgaben [Backtest]

Aktien Börse Tech-Unternehmen

Lesedauer: 8 Minuten –

Die Investment-Idee:

Sollten Aktien von Unternehmen, die viel in Forschung und Entwicklung investieren, nicht überdurchschnittlich performen, weil sie die besseren, innovativeren, trendy-eren Produkte haben müssten? Diese Idee hatte auch schon die Börsen-Legende Ken Fisher in seinem Buch “Super Stocks” von 1983. Wenn ich für eine Analyse also einen Backtest mache, ist, hat diese sogar noch eine höhere Aussagekraft, weil ich hier praktisch die Out-Of-Sample-Performance von Ken Fishers Ansatz ansehe (das Buch beinhaltet aber zugegebenermaßen noch mehr Kriterien, die aber nicht so leicht quanitifizierbar und damit nicht backtest-geeignet sind).

Research and Development - Aktien

Definition: Was sind Ausgaben für Forschung und Entwicklung?

Die Ausgaben von Forschung und Entwicklung müssen extra bilanziert werden und sind keine Herstellungskosten von Produkten/Dienstleistungen und auch keine laufende Investitionen. Vor allem die Abgrenzung zur Investition ist manches Mal nicht klar, der wichtigste Unterschied zu einer Investition ist: „Zum Zeitpunkt der Entstehung der meisten Forschungs- und Entwicklungskosten sind die künftigen Vorteile bestenfalls ungewiss. Mit anderen Worten, es gibt keinen Hinweis darauf, dass eine wirtschaftliche Ressource geschaffen wurde. “ Eine Investition hingegen führt ziemlich direkt zum Umsatz, während eine Ausgabe für Forschung und Entwicklung spekulativ ist. Daher werden sie von den Rechnungslegungsvorschriften unterschiedlich behandelt. F&E-Ausgaben werden zum Zeitpunkt ihrer Ausgabe auf einmal vom Einkommen abgezogen, während Investitionskosten über den Zeitraum von mehreren Jahren abgeschrieben werden. Je nach Land und regulieren gewissen Dinge als Investition und als Forschung und Entwicklung, z.B. kann die Errichtung eines Labors eine Investition sein und die Gehälter der Forscher und Entwickler dann F&E-Ausgaben. Es gibt also Überschneidungen, aber vom Prinzip her wird versucht, Investitionen und F&E-Ausgaben in der Bilanz voneinander zu trennen. Und das gibt uns die Möglichkeit eine oder mehrere F&E-Kennzahlen zu schaffen und diese zu testen.

Die höchsten Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben folgende Branchen: Automobilhersteller, Biopharma, Computer (Hardware und Software), Unterhaltungselektronik, Verbraucherfinanzierung, Unterhaltung, interaktive Medien, Fertigungsanlagen und Telekommunikation. Einige der Branchen haben die letzten Jahre sehr gut performt, dass uns gute Ergebnisse bei einem Backtest mit dem Fokus auf Forschung und Entwicklung nicht überraschen sollte. Viele andere Branchen haben überhaupt keine Ausgaben für Forschung und Entwicklung – oder sie zumindest nicht in der Bilanz separat ausgewiesen.

Ranking Backtest: R&D / EV

Ob eine absolute Summe für eine Forschungs- und Entwicklungsausgabe hoch oder niedrig ist, kann nur im Vergleich zu einer anderen Größe bestimmt werden. Es könnte z.B. die Ausgaben mit Wettbewerbern untersucht werden, was aber relativ schwierig ist, da man hier zu allen untersuchenden Unternehmen die Wettbewerber ermitteln müsste und diese sich im Laufe der Zeit ändern. Leichter ist es die Ausgaben in Bezug zur Unternehmensgröße zu setzen. Dies kann relativ leicht mit der Marktkapitalisierung oder dem Enterprise-Value erreicht werden, also Größen die angeben, wie viel Geld das Unternehmen theoretisch kosten würden, wenn man alle Aktien kaufen würde.

Für meine Untersuchung nutze ich also als Kenngröße:

Kennziffer 1 = Costs for Research & Development / Enterprise Value

Ein hoher Wert gibt an, dass das Unternehmen viel für Forschung und Entwicklung im Verhältnis zu seinem Unternehmenswert ausgibt. Als Aktienkäufer bedeutet es damit im übertragenen Sinne auch, dass wir relativ viel für Forschung und Entwicklung pro investierten Euro (oder Dollar) ausgeben.

Da nicht alle Unternehmen die F&E-Ausgaben angeben, werden diese Unternehmen beim Backtest nicht berücksichtigt. Außerdem nehme ich immer die Werte aus der letzten veröffentlichten Bilanz (die überlicherweise quartalsweise erscheint).

Den Backtest führe ich für Aktien aus unterschiedlichen Index-Universen vom Zeitraum des 2. Januar 1999 bis heute (11. Mai 2021) durch, da dies der längste Zeitraum ist, den mein Backtest-Tool erlaubt. Außerdem führe ich den Backtest als Ranking durch, dass heißt es entsteht ein Balkendiagramm, in dem die rechten Werte die Renditen von Unternehmen mit den höchsten Werten der Kennziffer 1 stehen und links davon die Unternehmen mit abnehmend niedrigeren Werten – die Ausnahme ist der ganz linke, rote Balken, denn dieser gibt die Rendite eines Vergleichindexes über den selben Zeitraum an.

20-Bucket-Ranking der Aktien des S&P 500 (1 Balken entspricht 25 Aktien):

Aktien mit Forschung und Entwicklung: S&P 500 Ranking Backtest

20-Bucket-Ranking der Aktien des Russell 3000 (1 Balken entspricht 150 Aktien):

Aktien mit Forschung und Entwicklung: Russell 3000 Ranking Backtest

20-Bucket-Ranking der Aktien des NASDAQ 100 (1 Balken entspricht 5 Aktien):

Aktien mit Forschung und Entwicklung: NASDAQ 100 Ranking Backtest

20-Bucket-Ranking von internationalen ADR-Aktien

Aktien mit Forschung und Entwicklung: Internationale ADR-Aktien Ranking Backtest

Wie wir sehen performen die Aktien mit hohen F&E-Ausgaben deutlich besser als Aktien ohne oder mit niedrigen F&E-Ausgaben. (Die”Leerstellen” im Balkendiagramm entsprechen den Aktien, die gar keine F&E-Ausgaben reporten). Selbst im S&P-500-Universum gibt es eine deutliche Überrendite, die nur bei wenigen Kennzahlen zu finden ist, da es von sehr vielen professionellen Investoren genutzt wird und die Überrenditen bereits durch deren Arbitrage verschwunden sind. Außergewöhnlich gut und vielversprechend für die Robustheit der Ergebnisse ist auch, dass die Kennziffer 1 in unterschiedlichen Universen funktioniert: Big Caps (S&P 500), Small-/Medium-/Big-Caps (Russel 3000), Technologie-Werte (NASDAS 100) und international. Viele andere Kennziffern bringen in Backtests nur einem Universum gute Rendite und in anderen nicht.

Wenn wir die 20 Aktien mit dem höchsten Wert der Kennziffer 1 im S&P-500-Universum gekauft hätten (wöchentliches Rebalancing), hätte sich folgendes Chart ergeben, wobei der S&P-500-Index blau ist und unsere F&E-Unternehmen rot:

Aktien mit Forschung und Entwicklung: S&P 500 Portfolio Backtest mit 20 Aktien

Die jährliche Rendite wäre dabei 17.4% gewesen.

Die Portfolioentwicklung wäre zwar holprig gewesen, aber auch nicht viel holpriger als der S&P-500 (besonders gut ersichtlich am Drawdown-Chart). Allerdings wäre nach der Finanzkrise und der Rezession nach dem Technologieboom der Portofolio-Rückgang stärker als der vom Index gewesen – hier kann man sch die berechtigte Frage stellen, ob man als Investor aus Sorge um einen Totalverlust irgendwann ausgestiegen wäre.

Aber in Summe zeigt sich ein außergewöhnliche starkes System, das auf nur einer Kennziffer basiert. Diese könnte nun um weitere ergänzt werden, sowohl um fundamentale, technische, sentiment- als auch um andere Faktoren.

Ranking Backtest: (R&D + FCF) / EV

Die F&E-Ausgaben gehen zu Lasten des Gewinn bzw. auch des freien Cashflow eines Unternehmens, wobei der freie Cashflow auch negativ werden kann. Wir könnten annehmen, dass ein starkes Unternehmen sowohl hohe F&E-Ausgaben stemmen kann als auch noch einen hohen freien Cashflow generiert. Und dass ein schwaches Unternehmen zwar hohe F&E-Ausgaben tätigen kann, aber dies zu Lasten des freien Cashflows geht – und diese eventuell ins negative rutscht.

Daher können wir die Summe aus F&E-Ausgaben und freien Cashflow als Stärke des Unternehmens sehen und dieses wieder in Bezug zum Enterprise Value setzen:

Kennziffer 2 = (Costs for Research & Development + Free Cashflow) / Enterprise Value

Ich will den Blog hier nicht mit Screenshots vom Backtest zumüllen, deshalb zeige ich hier den interessantesten vom Russell-3000-Universum (die anderen Universen performen aber auch gut, auch wenn nicht so extrem):

Aktien mit Forschung und Entwicklung und freiem Cashflow (Free Cashflow): Russell 3000 Ranking Backtest

Und hier der Chart für die Top-20-Aktien (Aktien mit der höchsten Kennziffer 2) – diese haben eine jährliche Rendite von unglaublichen 44.1% erwirtschaftet.

Aktien mit Forschung und Entwicklung und freiem Cashflow (Free Cashflow): Russell 3000 Portfolio Backtest

Fazit

Backtests sind immer wieder mit Vorsicht zu genießen, denn die Vergangenheit wiederholt sich nicht unbedingt und zweitens können die regelmäßigen Transaktionskosten (Kauf/Verkaufgebühren + Slippage) ebenfalls an der Rendite fressen. Aber hier haben wir ein System, dass sehr vielversprechend ist:

  • Die Rebalancings halten sich in Grenzen, d.h. auch wenn wir wöchentlich Rebalancen bleiben ca. 80% der Aktien die gleichen und nur ca. 20% werden ersetzt.
  • Das System ist einfach und hat keine Parameter, die überoptimiert (d.h. zu sehr auf die Vergangenheit angepasst) werden konnten
  • Das grundlegende Prinzip wurde bereits 1983 beschrieben und ist immer noch gültig.

Du wirst wenige Kennziffern finden, die zu einer so hohen Rendite geführt haben und möglicherweise auch weiterhin führen werden (keine Anlageberatung!). Der Ansatz ist rational, fundamental begründet und daher trotz der hohen Rendite meiner Meinung nach eher ein Investieren als ein Spekulieren.

Wenn Du mehr über andere Kennziffern erfahren möchtest oder Fragen zu den Backtests hast, dann lasse es mich doch gerne in den Kommentaren wissen!

Frohes Investieren!
Sebastian