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Dir ist BitCoin nicht genug und Du willst noch höheres Risiken… ähem… Renditen? Dann bieten sich natürlich Alt-Coins an. “Alt” steht hier für “Alternativer Coin” und meint alle Coins außer BitCoin. Es hat also nichts mit “alt” im Sinne von “Alter” zu tun – im Gegenteil sind die alle AltCoins jünger als BitCoin.
Viele AltCoins nennt man auch ShitCoins, da sie, wenn man sie im Detail analysiert, keine Zukunft haben (dürften). Und einige AltCoins waren in der Vergangheit oft der Mittelpunkt von Scam-Aktionen: Die Entwickler haben ihre Coins gehyped, teuer verkauft und sind dann in Luft aufgelöst. Der Coin-Preis fällt ins Bodenlose bis auf oder nahe 0 – und die Besitzer gehen damit ebenfalls leer aus. Oder der Coin ist nicht sicher, wird gehackt und der Besitzer verliert so seine Investition.
Asset-Allocation
Daher sollte die erste Regel beim Investieren in AltCoins sein: Niemals das ganze oder auch nur größere Teile des Portfolios investieren. Ein sinnvolle Asset-Location wäre meiner Meinung nach (keine Anlageberatung!):
Max. 10-20% des gesamten Portfolios in Kryptowährungen investieren, mit dem Wissen, dass es auf 0 fallen kann (bzw. man irgendwann wieder aussteigen möchte – trotz überzeugender Hodl-Vorsätze)
Und davon 50-70% in BitCoin, 10-20% in Ether (dem wichtigsten Coin nach BitCoin und ähnlich seriös) und dann den Rest verteilt in mehrere AltCoins. BitCoin und Ether sind zur Zeit (Mai 2021) No-Brainer und müssen nicht weiter untersucht werden. Interessanter Untersuchungsgegenstand sind aber die anderen ca. 6000 Coins.

“Gute” AltCoins finden
Alle AltCoins beinhalten ein sehr hohes Risiko auf 0 zu fallen, aber viele haben auch eine hohe Chance sich zu verzehn- oder zu verhundertfachen (im Krypto-Sprachjargon einfach nur noch 10x oder 100x genannt). Auf AltCoins solltest Du nur dann setzen, wenn es auch einen Bullenmarkt gibt – also wenn BitCoin und Ethereum sich in den letzten Monaten ver-x-facht haben und die AltCoins nachziehen.
Auf folgende Punkte solltest Du bei einem AltCoing achten, wenn Du in ihn investieren möchtest:
- Organisatorischer Grund: Unterstützt der Exchange auf dem Du unterwegs bist, überhaupt den Coin? Wenn ja, gibt es dort zu dem Coin nennenswerte Handelsaktivitäten? (siehe in der Exchange unter Volume)
- Coin-Typ: Filtere Stable-Coins heraus, dieser werden (hoffentlich) keine wesentlichen Preisänderungen erfahren.
- Aufwärtspotential: Günstige Coins können höher steigen als teure Coins: Beginner schauen oft auf den Preis für einen Coin und wenn er unter einem US-Dollar handelt, gilt er als billig und kaufenswert. Profis schauen eher auf die Marktkapitalisierung (= Coin-Anzahl x Coin-Preis), da dies anzeigt wieviel die Menger aller Coins kostet. Wenn ein Coin erst 100 Milllionen US-Dollar Marktkapitalisierung hat, müssen nur 100 Millionen dazukommen um den Preis zu verdoppeln. Wenn ein Coin bereits 20 Milliarden Marktkapitaliserung hat, müssen analog 20 Milliarden dazukommen. Es dauert für einen Coin eben im Schnitt eben kürzer 100 Millionen einzusammeln, als 20 Milliarden. Bereits ein großer Investor kann den Preis eines Coins mit niedriger Marktkapitalisierung deutlich nach oben treiben. Bei BitCoin mit über einer Billion (1000 Milliarden) Marktkapitalisierung haben nur noch die größtern Unternehmen der Welt oder Staaten als Einzelinvestoren signifikanten Einfluss auf die Preisentwicklung. Da aber nun auch viele Beginner und “DumbMoney” unterwegs sind, macht zur Zeit nicht nur der Blick auf die Marktkapitalisierung, sondern auch auf den Coin-Preis Sinn. Hier gilt meiner Meinung nach: Preis < 5 US-Dollar und Marktkapitalisierung < 10 Milliarden US-Dollar
- Inflation/Deflation: Der Coin sollte deflationäre Anteile haben, d.h. idealerweise gibt es Token-Burns (Coins werden über die Zeit vernichtet) und es gibt eine totale Obergrenze für die Anzahl der Coins. BitCoin werden zwar immer noch gemined, aber die endgültige Anzahl ist auf 21 Millionen Coins begrenzt. Wenn diese einmal gemined sind, kommen keine weiteren mehr dazu. D.h. aktuell ist es formal ein inflationäre Coin und im Endstadium ein deflationärer Coin. Aber es macht mehr Sinn auf den Endzustand zu sehen, und wenn dieser wohldefiniert ist, dann kann der Coin als eher deflationär angesehen werden. BitCoin ist demnach ein deflationärer Coin. Ein Coin wie DogeCoin, von dem es – für immer – jährlich 5% mehr geben wird, ist hingegen ein (leicht) inflationäre Coin.
- Langfrist–Chart: In den letzten 6-12 (das ist bei Kryptowährungen bereits ein langer Anlagezeitraum) sollten keine massiven Abstürze aufgetreten sein – schon gar nicht, wenn der BitCoin diese Abstürze nicht auch parallel hatte. Denn der BitCoin ist noch immer der Leitstern: Wenn er sinkt, werden auch die allermeisten AltCoins sinken.
- Kurzfrist-Chart: Die letzten 1-28 Tage sind positiv, idealerweise positiver als BitCoin. Bei AltCoins bestehen eher kurzfristige Trends weiter als langfristige Trends (und hier unterscheiden sie sich deutlich von Aktien). Idealerweise machen sich in SocialMedia das Gerücht breit, dass eine AltCoin-Saison bevorsteht.
- Dezentral: Der Coin sollte nicht von einer Firma gegründet worden sein, die im Worst-Case auch noch den Großteil der Coins hält. Dieses Unternehmen bzw. seine Mitarbeiter/Programmierer/CEO sind ein fortlaufendes Risiko: Eine organisatorische oder programmiertechnische Fehlentscheidung kann den Preis schnell abstürzen lassen. Leider sind inzwischen die meisten Coins eher zentral (klar, die Unternehmen wollen halt Geld verdienen und die Kontrolle halten) – aber man findet noch dezentrale bzw. Unternehmen, die zwar den initialen Coin erstellen, aber dann ihre Kontrolle abgeben um den Coin schließlich noch dezentral zu machen.
- Holder-Verteilung: Auf Websiten wie coinmarketcap.com kannst Du für viele Coins sehen, wie verteilt sie sind (es gibt aber Websiten, die die Coin-Holder granularer aufgeteilt darstellen). Wenn der Großteil von Coins von einer sehr kleinen Minderheit gehalten werden, dann gibt es immer das Risiko, dass diese Coin-Halter eines Tages und plötzlich ihre Coins verkaufen und der Preis abstürzt. D.h. der Coin hat idealerweise eine ausgeglichene, verteilte Investoren-Landschaft.
- Entwicklerteam: Die Entwickler und Vermarktungsteam sollten eher fachlich und neutral auftreten und detailliert erklären, was der Vorteil von dem Coin ist (es ist unwahrscheinlich, dass die Welt 6000 unterschiedliche Coins benötigt, wahrscheinlich reichen auf lange Dauer 1 und 5 unterschiedliche Coins aus). Das Entwicklerteam sollte auch aufzeigen, dass der Coins erstens überhaupt weiterentwickelt werden und was die nächsten Meilensteine sind. Idealerweise konnte das Entwicklerteam die vergangenen Meilensteine halten und haben gleichzeitig interessante Meilensteine vor sich.
- UseCase: Der UseCase für den Coin sollte klar und ersichtlich sein. Er sollte auch nicht versuchen, BitCoin oder Ethereum abzulösen, denn diese sind bereits etabliert. Wenn er einen anderen, stärker etablierten Coin zu verdrängen sucht, sollte er ganz massive Vorteile bieten (und nicht nur kleine Verbesserungen wie z.B. eine andere Blockgröße) oder der zu verdrängende Coin sollte aktuell Akzeptanzprobleme haben (z.B. weil wichtige Meilensteine ständig verschoben werden).
Die letzten paar Punkte erfordern relativ viel Rechercheaufwand, daher empfiehlt es sich diese Liste von oben nach unten durchzuarbeiten. Die ersten 6 bis 8 Punkte lassen sich relativ einfach durch Screener wie coinmarketcap oder coingecko abarbeiten. D.h. dies solltest Du für mehrere Coins machen, so dass Du 5-10 Coins herausgefiltert hast, die die Punkte 1 bis 8 bestehen. Dann gehst Du für diese Coins die Entwicklerwebsites und Twitter/Telegram/SocialMedia-Accounts durch und prüfst in Punkt 9 und 10 das Auftreten des Teams und den UseCase. Interessant, aber auch manches Mal schwer zu verstehen, sind die WhitePapers, die ein seriöser Coin immer haben sollte. Wenn Du das WhitePaper nicht verstehst, dann nimm nicht an, dass der Coin so “sophisticated” ist, dass er unverständlich ist, sondern dass das Entwicklerteam hier nur Wissenschaftlichkeit vortäuscht. D.h. das WhitePaper, das wir uns wünschen, ist logisch, erklärt das System wie Coins generiert und geprüft werden und auch der UseCase ist dort ersichtlich.
Findst Du die Liste umständlich? Dann wird Dich erschrecken, dass das Aussteigen aus einem Coin noch schwieriger ist, da es hier keine so gute Check-Liste gibt. Aber folgende Gründe sollten einen (Teil-)Ausstieg einleiten:
- Gewinnmitnahmen: Bei AltCoins nehme ich einen Teil meiner Gewinne nach 100-200 Prozent mit (also eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Kurses) – wenn die 1-Jahresfrist für die Spekulationssteuer kurz bevorsteht, macht es natürlich Sinn, den Coin noch bis dahin zu halten.
- Schlechte News rund um den Coin, z.B. Entwickler halten wichtige Meilensteine nicht ein oder Elon Musk verkündet, dass der Coin sch***e ist.
- BitCoin stürzt drastisch ein (z.B. >70%): Es kann noch mal zu einem kurzfristigen MeltUp der AltCoins im Nachgang kommen, aber das ist nicht sicher. Sicher ist nur, dass mittelfristig auch die meisten AltCoins einbrechen werden. Daher sollte zumindest ein Teil der AltCoins direkt nach dem BitCoin-Einbruch verkauft werden.
Kennst Du noch mehr Punkte, die bei der Wahl eines Coins geprüft werden sollten? Dann schreib mir doch sehr gerne einen Kommentar.
Frohes Spekulieren!
Sebastian