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Für viele Anleger gelten Aktien als Spekulation – bis auf die guten, alten Dividenden-Aktien. Diese haben zwar trotz Ausfällen in der Corona-Krise immer noch einen guten Ruf, aber ich bin der Meinung, dass sie diesem Ruf wenig bis gar nicht gerecht werden. Insbesondere nicht, wenn die Dividenden für einen Vermögensaufbau (und nicht der Zahlung einer Rente) genutzt werden. Hier sind meine 7 Pain-Points mit den Dividenden-Aktien:
- Firmen wissen scheinbar nichts besseres mit Ihrem Geld anzufangen. Unternehmen sollten eigentlich wachsen und dafür ihren Gewinn nutzen, statt sie als Dividenden auszuschütten. Das gilt erst recht in Zeiten der Niedrigzinsen, in der die Konkurrenz sich günstig Geld für weiteres Wachstum oder gar disruptive Innovationen leihen kann und dann auf Kosten des Dividenden-Unternehmens wächst.
- Unvernünftiges Payout-Ratio: Manche Firmen geben mehr für Dividenden aus als sie durch Geschäftstätigkeit verdienen. Solche Unternehmen mögen zwar Shareholder-freundlich erscheinen, weil sie dadurch auch in schweren Zeiten eine schöne Dividendenhistorie aufbauen (und gar als Dividenden-Aristokraten gelten) können, aber sie sind offensichtlich nicht sehr zukunftsträchtig. Entweder sie schaffen eine Wende bei den Gewinnen, streichen künftig die Dividenden oder können langfristig sogar niedergehen.
- Dividenden sind zu versteuern. Bei Aktiengewinnen hast Du die Möglichkeit sie laufen zu lassen und z.B. erst nach 10 Jahren den Gewinn zu versteuern. Auf die Dividenden musst Du Kapitalertragssteuer zahlen und kannst somit nur rund 75% der Auszahlung reinvestieren, was über lange Zeiträume eine große Ertragsminderung bedeutet. Wenn ein Unternehmen keine Dividende zahlt, kann es stattdessen selbst ohne (Kapitalertrags)-Steuer in weiteres Wachstum reinvestieren.
- Dividendengewinne kann man steuerlich nicht mit Aktienverlusten verrechnen, während man diese aber mit Aktiengewinnen verrechnen kann. Auch aus dieser steuerlichen Sicht sind Aktiengewinne attraktiver als Dividenden.
- Bei ausländischen Dividenden musst Du Dir erst die Quellsteuer vom Finanzamt wiederholen. Hier hast Du auf jeden Fall bürokratischen Aufwand – oder wenn Du es nicht machst, zahlst Du eben mehr als nur die deutsche Kapitalsertragssteuer.
- Kursabschläge durch Dividendenzahlungen. Viele Anleger glauben, dass Dividenden-Aktien den Vorteil bieten, dass sie neben den Kurssteigerungen eben auch die Dividendenzahlungen bieten. Dies ist aber nicht der Fall: Die Börsen ziehen bei Dividendenzahlung die prozentuale Dividende vom Aktienkurs ab. D.h. wenn Du eine Dividendenzahlung von 2% erhältst, wird auch der Aktienpreis um 2% reduziert. Du hast also nichts gewonnen, außer dass Du nun 1.5% reinvestieren kannst bzw. musst und 0.5% als Kapitalertragssteuer abführen musst. Bei einer Aktie, deren Preis ohne Dividendenzahlungen gleich laufen würde (also weder steigt noch fällt) würde durch Dividendenzahlungen regelmäßig, in Höhe der Dividendenzahlungen, fallen.
- Dividenden-Aktien performten nachweislich in der Vergangenheit nicht besser, wenn auch nicht schlechter als Aktien ohne Dividenden. Im Backtest kann ich das an US-Aktien seit 1999 (soweit reicht der max. Backtest-Zeitraum) ziemlich genau nachvollziehen. Das möchte ich im Folgenden weiter ausführen:
Sehen wir hier uns dazu die Aktien des S&P-500-Index (der wichtigste Aktienindex der Welt) an, da diese als BigCap als relativ sicher gelten, was dem typischen Dividenden-Anleger ja wichtig ist. Seit 2. Januar 1999 bis heute (13.05.2021) lieferte der “normale” S&P 500 7.6% pro Jahr. Mit “normal” ist der S&P-Index gemeint, der in den Medien am häufigsten genannt wird. Er ist nach der Markt-Kapitalisierung seiner beinhalteten Aktien gewichtet und die Dividenden werden entnommen, d.h nicht reinvestiert (was wir für einen Vermögensaufbau aber üblicherweise tun würden). Gerne wird in anderen Medien dieser S&P-500-Index für den Vergleich mit Dividenden-Aktien genutzt und eine jährliche Überperformance von 2-3% ausgewisen, aber dieser Index ist nicht der korrekte Vergleichsmaßstab.
Wie man Dividenden-Aktien korrekt vergleicht
Der gleichgewichtete S&P 500 mit reinvestierten, unversteuernden Dividenden hingegen liefert bereits eine beeindruckende Rendite von exakt 11.0% pro Jahr – und dieser Index eignet sich besser um ihn mit Dividenden-Aktien zu vergleichen. Denn bei den Dividenden-Aktien zählt man ja erstens die Dividenden ebenfalls zum Ertrag und zweitens haben für die Vergleiche selbst geschaffene Aktiengruppen mit Dividendenzahlungen (im Grunde auch ein “Index”) üblicherweise eine Gleichgewichtung.
Hier seht Ihr den Chart des “normalen” S&P-500-Index (blau) im Vergleich mit dem gleichgewichteten, dividenden-reinvestierenden S&P-500 (rot).

Innerhalb der S&P-500-Aktien habe ich nun die jährliche Gesamtrendite seit 1.1.1999 für Aktien mit unterschiedlicher Dividenden-Ausschüttung (indizierte Dividende) analysiert. Dies ist in der Spalte “Jährliche Gesamtrendite 1” zu sehen:
Unternehmen mit jährliche Dividenden-Auszahlungen von: | Jährliche Gesamtrendite 1 (Dividende + Aktienpreissteigerung) | Jährliche Gesamtrendite 2 (Dividende + Aktienpreissteigerung) Payout-Ratio < 70% |
0% (Aktien ohne Dividendenzahlung) | 11.6% | 11.6% |
0 bis 1% | 9.2% | 10.2% |
1 bis 2% | 10.7% | 10.1% |
2 bis 3% | 11.4% | 11.1% |
3 bis 4% | 12.2% | 12.2% |
4% bis 5% | 11.2% | 13.9% |
mehr als 5% | 11.8% | 14.8% |
——————————————————– | ——————————— | ——————————— |
gleichgewichteter, reinvestierender S&P 500 | 11.0% | nicht relevant |
“normaler” S&P 500, ohne Dividenden | 7.6% | nicht relevant |
Wir sehen hier vor allem eines: Gar nichts – ok, wir sehen Rauschen… und dass Aktien ohne Dividenden nicht schlechter als Aktien mit Dividenden laufen (und nein, die Dividenden kommen wie oben besprochen nicht “on top” obendrauf). Die 0.6% mehr bei Aktien mit einer Dividendenrendite zwischen 3 und 4% sehe ich hier als Rauschen. Die einzige Frage, die man sich hier stellen könnte, weshalb Aktien mit geringer Dividende (<1%) weniger Rendite erwirtschaften als Aktien ohne Dividende UND Aktien mit hoher Dividende (> 2%). Und ob man solche Aktien meiden sollte? Mir ist aber hierzu kein fundamentaler Grund bekannt. Letztlich lässt sich zu dieser Auswertung mal wieder eine Börsenweisheit zitieren: There is no free lunch on Wall Street
In der Spalte “Jährliche Gesamtrendite 2” habe ich eine zweite Analyse erstellt und nur die S&P-500-Aktien berücksichtigt, die einen vernünftigen Payout-Ratio von weniger als 70% haben, d.h. Unternehmen, die weniger als 70% ihrer Gewinne über Dividenden auszahlen und damit noch Gewinn einbehalten um z.B. ein Cash-Puffer zu schaffen oder sie zu für weiteres Wachstum zu investieren. (Auch eine Grenze von 50% – wie sie die Allianz zur Zeit anstrebt – oder 100% zu ziehen, kann sinnvoll sein.)
Es fällt auf, dass die Aktien mit hoher Dividende (> 4%) und einem vernünftigen Payout-Ratio (< 70%) tatsächlich etwas überperformen. Allerdings gibt es wenig Aktien im S&P-500, die diese Eigenschaften haben und zur Zeit (Mai 2021) existiert tatsächlich keine derartige S&P-500-Aktie mit mehr als 5% Dividendenrendite und nur wenige Aktien mit mehr als 4% (Ticker: FE, LYB, PBCT, PGR, UNM, VZ).
Auf Grund der geringen Anzahl von dividenden-starken & payout-vernünftigen Aktien ist das Ergebnis zwar interessant, aber nicht wirklich signifikant. Prinzipiell ist zu empfehlen entweder bei der Aktienauswahl überhaupt keine Rücksicht auf die Dividenden zu nehmen oder sie nur im Zusammenhang mit dem Payout-Ratio zu nutzen. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass es viele Unternehmen gibt (aktuell 49 der S&P-500-Unternehmen), die mehr als 100% ihrer Gewinne ausschütten und dass sie sich diese Dividendenzahlungen damit nicht auf lange Dauer leisten werden können. Aktuell ist das für viele Unternehmen noch kein Problem, weil sie wegen der Niedrigzinsen günstig Kapital aufnehmen können und dann einfach an die Shareholder auszahlen. Das dies kein gutes Geschäftsmodell ist, ist offensichtlich; dennoch haben Dividenden-Aktien immer noch einen ausgezeichneten Ruf. Wenn Du beim nächsten Investieren in Aktien die Dividenden also differenzierter betrachtest, wirst Du Deine Chancen am Aktienmarkt sicher verbessern.
Ich hoffe, der Artikel hat Dir einen Mehrwert gebracht.
Hast Du eine andere Ansicht zum Thema “Dividenden”? Oder interessieren Dich die sogenannten Dividenden-Aristokraten und wünschst Dir hierzu eine Analyse? Dann schreib doch gerne einen Kommentar.
Frohes Investieren!
Sebastian
Wenn Dich performance-stärkere Anlagestrategien in Aktien interessieren, dann sehe doch in meine anderen Blog-Posts: